Cadolzburg wird Schauplatz der deutsch-französischen Versöhnung

Hand in Hand mit den Präsidenten Joachim Gauck und François Hollande stand Robert Hébras 2013 in den Ruinen von Oradour-sur-Glane, im Gedenken an 642 Zivilisten, die an diesem Ort grausam von einer SS-Einheit getötet wurden. Er ist einer von nur 6 Menschen, die das SS-Massaker am 10. Juni 1944 überlebt haben. 19 Jahre war er damals alt und seither setzt er sich unermüdlich für die Aufarbeitung und Bewältigung dieses beispiellosen Kriegsverbrechens ein.

Am vergangenen Wochenende besuchte er Cadolzburg und war zu Gast im Musical der Cadolzburger Burgfestspiele „Mademoiselle Marie“. In einer Szene konnte er sich dabei selbst wiederfinden. Die ahnungslose Marie will verstehen, warum die Franzosen ihr so ablehnend begegnen. Sie trifft Robert Hébras, feinfühlig gespielt von Gerhard Unterburger, der ihr die Zusammenhänge erklärt und sie ermutigt, zu ihrer Liebe zum ehemaligen französischen Kriegsgefangenen François zu stehen, der ihr viele Jahre lang auf dem Hof beistand. Die Spannung der Cadolzburger im Vorfeld war groß, denn die Umsetzung eines so schwierigen Stoffes in Form eines Musicals war eine mutige Aktion. Dank der im Vorfeld geleisteten Übersetzungsarbeit von Elizabeth Eder, Vorsitzende des Deutsch-Französischen Freundschaftskreises (DFF), konnten die französischen Gäste die Aufführung gut vorbereitet verfolgen. Er sei mit neutralen Erwartungen gekommen, meinte Hébras anschließend, aber was er hier erlebt habe, habe ihn sehr berührt und sei ein ganz besonderes Erlebnis für ihn gewesen. In Cadolzburg habe man einen weiteren wichtigen Schritt zur deutsch-französischen Freundschaft gemacht. Diese Aussage war nur einer der vielen emotionalen Höhepunkte eines ganz besonderen Wochenendes.

Ein umfangreiches Rahmenprogramm war für die 18-köpfige Gruppe organisiert worden. Denn begleitet wurde der 90-jährige Buchautor von seiner Ehefrau Christiane, vom Bürgermeister von Oradour-sur-Glane, Philippe Lacroix, von Isabelle Briquet,  Bürgermeisterin von Le Palais-sur-Vienne, sowie von Vertretern des Partnerschaftsvereins von Le Palais-sur-Vienne. Die Gemeinde Cadolzburg, der Deutsch-Französische Freundschaftskreis und der Verein der Burgfestspiele arbeiteten eng zusammen, damit die Gäste sich wohlfühlen und viele Inspirationen zurück ins Limousin mitnehmen konnten.

Nach einer 13-stündigen Reise kam die Gruppe am Donnerstagabend in Cadolzburg an und wurde vor dem Rathaus von Landrat Matthias Dießl, dem 2. Bürgermeister Heinz Hühnermann und den Gastfamilien herzlich empfangen. Robert Hébras und Philippe Lacroix trugen sich noch am gleichen Abend in das goldene Buch der Gemeinde Cadolzburg ein, bevor die Besucher den ersten Abend bei ihren Gastfamilien verbrachten. Am Freitag stand zunächst eine französische Führung durch Cadolzburg durch Burgführerin Angela Unterburger auf dem Programm.

Eintrag im Goldenen Buch der Gemeinde Cadolzburg

Eintrag im Goldenen Buch der Gemeinde Cadolzburg

Anschließend ging es weiter zum Bezirksrathaus in Ansbach, wo wir auf eine Gruppe von Gymnasiasten aus Erlangen trafen, die den Weg von Erlangen bis nach Oradour in den nächsten Tagen mit dem Rennrad bewältigen werden. Begrüßt wurden wir durch Bezirkstagspräsident Richard Bartsch. Robert Hébras freute sich, seinen alten Freund und ehemaligen Bezirksrat Fritz Körber wiederzusehen, der die jungen Radfahrer auf ihrer Fahrt begleiten wird.

Führung durch Cadolzburg mit Angela Unterburger

Führung durch Cadolzburg mit Angela Unterburger

Nach dem gemeinsamen Mittagessen fuhren wir schnell zurück nach Gonnersdorf auf den Hof von Fritz Stiegler, dem Autor von „Mademoiselle Marie“. Neben Fritz Stiegler erläuterten auch Landrat Matthias Dießl, Komponist Matthias Lange, der Vorsitzende der Burgfestspiele Thomas Dröge und Regisseur Jan Burdinski Hintergründe zum Musical. Die Begegnung mit Stiegler Senior war ein weiterer bewegender Moment. Der Kern des Musicals beruht nämlich auf seinen Erinnerungen an den französischen Kriegsgefangenen François (zu Deutsch Franz), der auf dem Bauernhof der Stieglers untergebracht war und dort von allen sehr geschätzt wurde. Sein Schicksal endete leider nicht so glücklich wie das seines Musical-Pendants und bewegt die Familie seither. So erzählte Stiegler Senior viele Geschichten rund um Franz und beantwortete geduldig die Fragen der französischen und deutschen Besucher.

Auf dem Hof von Fritz Stiegler

Auf dem Hof von Fritz Stiegler

Dann endlich war Zeit für die Aufführung, die alle begeisterte und mit langanhaltenden, stehenden Ovationen belohnt wurde. Beim Abendessen in der Pause und nach der Aufführung gab es viel Gelegenheit zum persönlichen Austausch zwischen Franzosen und Deutschen. So genossen wir gemeinsam noch lange den warmen Sommerabend mit angeregten Gesprächen.

Am Samstag brach die Gruppe unter Leitung von Elizabeth Eder zu einer Führung durch Fürth und zum Besuch des Memorium Nürnberger Prozesse auf. Auch ein kurzer Besuch in der Nürnberger Altstadt gehörte noch zum Programm. Das Festessen am Abend gestaltete der DFF mit fränkischen Vorspeisen, Spanferkel und einem langen Kuchenbuffet. Bewegende Ansprachen und Dankesworte kamen von den Bürgermeistern Isabelle Briquet, Philippe Lacroix und Heinz Hühnermann, von den Vorsitzenden der Partnerschaftsvereine Yves Puharrré und Elizabeth Eder sowie von Robert Hébras. So flossen auch hier einige Tränen der Rührung und Dankbarkeit, z.B. als Hébras Gerhard Unterburger für die einfühlsame Darstellung seiner selbst mit einem persönlich gewidmeten Buch dankte. Viele gute Wünsche gab es auch zur schnellen Genesung für den erkrankten Bürgermeister Bernd Obst. Der Abend klang dann am Milchhausfest fröhlich aus.

Robert Hébras und sein Darsteller im Musical Gerhard Unterburger

Robert Hébras und sein Darsteller im Musical Gerhard Unterburger

Der ökumenische Gottesdienst am Sonntag im Burgvorhof wurde von Pfarrer Büttner und Gemeindereferentin Gabriele Syben festlich gestaltet. Ein Teil der Gäste machte sich nach dem Mittagessen auf den langen Heimweg, während der andere Teil noch einem Ausflug ins Freilandmuseum nach Bad Windsheim unternahm, um den Tag in den Gastfamilien ausklingen zu lassen und am Montag die Heimreise anzutreten.

Dieses Wochenende stand für Cadolzburg ganz im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft. Der DFF bedankt sich herzlich bei allen, die zum Gelingen dieses unvergesslichen Wochenendes beigetragen haben für das Engagement und die großartige Zusammenarbeit.

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